Unterschichten

Aus Mittelalter-Lexikon
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Unterschichten. Anders als das Proletariat der Neuzeit, das als Arbeiterklasse ohne Teilhabe an den Produktionsmitteln definiert ist, sind die Unterschichten des MA. durch Rechtlosigkeit oder eingeschränkte Rechtsfähigkeit charakterisiert. Im FMA. bildeten Sklaven (slavi), später Leibeigene (servi, mancipia) zusammen mit fahrendem Volk, Entlaufenen, Bettlern, Krüppeln, Siechen und Dirnen den Bodensatz der ländlich-bäuerlichen Gesellschaft. Dazu kamen in den Städten des HMA. und SMA. ungelernte Gelegenheits- und Hilfsarbeiter, Tagelöhner (tage-schalc, -waner, -werker, -würhte), Hausgesinde, vagierende Studenten sowie unehelich Geborene und sonstige ®unehrliche Leute. Der Anteil der Unterbürgerlichen an der Stadtbevölkerung dürfte im SMA. bei 40 bis 50 % gelegen haben. Sie alle war waren von Bürgerrecht und Grundbesitz ausgeschlossen, sie konnten jederzeit aus dem Gemeinwesen vertrieben werden, waren eidesunfähig, durften keine zünftigen Berufe erlernen und keine öffentlichen Ämter bekleiden. Sie lebten von der Hand in den Mund und waren verständlicherweise empfänglich für sozialreligiöse Parolen, wie sie von Bettelmönchen, aber auch von verfemten Bewegungen wie denen der ®Katharer, ®Waldenser oder ®Begharden verbreitet wurden.
Hausgesinde war im Haushalt der Dienstherrschaft untergebracht. Andere Angehörige der städt. Unterschichten hausten gegen geringe Miete in Kellern und kleinen Verschlägen bürgerlicher Häuser, oder hatten in den Armutsbezirken hinter der Stadtmauer (s. Wiekhaus) oder in einer der Vorstädte eigene primitive Katen. Der Bodensatz der Unterschichten, das missachtete Bettel-, Lotter- und Hudelvolk (v. mhd. lotter = Taugenichts, hudel = schlechte Person, Lump), war obdachlos (mhd. husarm) und kampierte an belebten Zufahrtsstraßen und vor vielbegangenen Stadttoren (wo man auf Almosen Reisender hoffen konnte), auf Friedhöfen, an Flussufern oder in der Nähe von Siechenhäusern und Leprosorien.
(s. Armut, Gesinde, Hilfsarbeiter)