Villikation

Aus Mittelalter-Lexikon
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Villikation (auch Villikationsverfassung; von lat. villa = Herrenhaus). Ein Verband von mehreren ®Fronhöfen, die jeweils von einem ®Meier oder villicus verwaltet wurden, wird als Villikationssystem bezeichnet. Der weltliche oder geistliche Grundherr saß dabei meist auf einem in Eigenregie bewirtschafteten Herrenhof (Oberhof, curtis dominica, mansus indominicatus), dem mehrere, oft weitgestreute Nebenhöfe zugehörten. Oberster Wirtschaftsbeamter des Fronhofverbandes war der iudex (mhd. ambaht-man), der außer sämtlichen die Ökonomie betreffenden Weisungsbefugnissen auch grafengleiche Rechtskompetenz über alle Einwohner und Besucher – Freie, Minderfreie oder Hörige – innehatte.
Die an Nebenhöfen (Meierhöfen) angelieferten Abgaben wurden an den Oberhof weitergeleitet. Ein besonderes Kennzeichen der Villikation war die wirtschaftliche Autarkie, die durch eigene Handwerks- und Gewerbebetriebe (Schmiede, Wagnerei, Sattlerei, Back- und Brauhaus, Weberei, Schusterei usf.) gewährleistet wurde. So waren die Herrenhöfe auch Zentren des Handwerks und des Handels.
Ein anderes Chrakteristikum war die soziale Organisation: Alle einem Herrenhof zugehörenden Personen – im Herrenhaus ansässige Arbeitskräfte, auf eigenen Höfen sitzende („behauste“) Unfreie (servi casati), schollengebundene Bauern, hörige Arbeiter und Hilfskräfte, freie Amtleute – waren Mitglieder der „familia“ (Hausgemeinschaft) des Grundherrn. Die Zugehörigkeit zu solch einem – viele Hausgemeinschaften umfassenden – Verbund war von größerer Bedeutung als verwandtschaftliche Beziehungen.
Von der Karolingerzeit bis zum HMA war die Villikation das beherrschende System. Mit dem Aufschwung städt. Handwerkerschaft und Märkte sowie der Durchsetzung der Geldwirtschaft gegenüber der Naturalwirtschaft verloren die Villikationen an Bedeutung. Mitverantwortlich für die Niedergangstendenz waren Selbständigkeitsbestrebungen der Meier, Abneigung der Bauern gegen Frondienste und Abwanderung in die Ostgebiete und in die wachsenden Städte. Fronhöfe wurden aufgelöst und das Land an die Bauern vergeben, oder als Zinshöfe adliger Grundherren weitergeführt, auf denen der Grundherr keine Eigenwirtschaft mehr betrieb, oder sie wurden als Wohnsitz, Verwaltungs- und Gerichtszentrum des Feudalherrn mit reduzierter Eigenwirtschaft weiterbetrieben.
Über klösterliche Villikationen besteht mehr Faktenwissen als über weltliche, schon weil Klöster beständiger waren als weltliche Grundherrschaften, und weil die schriftliche Fixierung wirtschaftlicher Daten in Klöstern akribischer und von größerer Kontinuität war.
(s. Grundherrschaft, Kloster, Rentengrundherrschaft, Überschusswirtschaft)