Windmühle

Aus Mittelalter-Lexikon
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Windmühle (mhd. wintmole; mlat. molendinum venti, molendinum de vento, ventimolendinum). Windmühlen sind für das 7./8. Jh. im Grenzgebiet zwischen Persien und Afghanistan bezeugt und wurden als getriebelose, Stockmühlen ähnliche Einrichtungen mit waagrecht liegendem Windrad beschrieben. Windmühlen mit senkrechtem Flügelrad gehen wahrscheinlich auf eine angelsächsische Erfindung zurück; dafür spricht die erste Erwähnung einer derartigen Mühle in einer angelsächsischen Urkunde von 833. In der Normandie ist die erste Windmühle für 1105 bezeugt, von da aus verbreitete sie sich in Flandern und später in ganz Europa (für 1222 ist eine Windmühle belegt, die auf der Kölner Stadtmauer stand). Bei der "deutschen" Form der Bockwindmühle aus dem 13. Jh. war das ganze Mühlenhaus drehbar auf einem Unterbau, dem "Bock" gelagert, und konnte so in die jeweilige Windrichtung gestellt werden. Deutsche Windräder waren meist vom Segelgattertyp, sie hatten vier hölzerne Flügel, deren Holzgitterflächen mit Tuchbahnen als Windfang bespannt wurden. (Bei stürmischem Wind wurde das Tuch gerefft, da es bei zu hoher Drehgeschwindigkeit zu Überhitzung und Entzündung der hölzernen Lager kommen konnte. Um dieser Gefahr zu begegnen, fertigte man des Halslager der Flügelwelle aus einem ölhaltigen Schiefer, dem sog. Katzenstein. Der Name soll von dem Geruch nach Katzenurin kommen, den der Stein bei Erhitzung verströmt. Der "Katzenstein"- Schiefer wird im südl. Harzvorland und in Belgien abgebaut.)
Das Flügelkreuz bestand aus dem Haus- und dem Feldrutenpaar, wie die der Mühle bzw. dem Feld zugekehrten Flügelpaare hießen. Windmühlenflügel drehten sich - von vorne betrachtet - links herum; von dieser Regel wurde nur in wenigen Fällen abgewichen.
Über ein Getriebe wurde die Kraft von der waagrechten Flügelwelle auf das Mahlwerk übertragen. Das Mühlenhaus war ein quaderförmiger, meist zweistöckiger Holzbau mit Satteldach, der auf dem "Hausbaum" (auch Mittelstütze, Mühlensäule) drehbar gelagert war. Der im "Bock" (dem auf dem Boden verankerten Tragegestell) verankerte Hausbaum reichte bis zum Dach des Mühlenhauses und war dort im "oberen Sattel" gelagert. Das eigentlich tragende Lager, der "untere Sattel", befand sich unter dem Boden des Mühlenhauses.
Als weitere ma. Windmühlenform sei die Koker- oder Wippwindmühle genannt, die zu Beginn des 15. Jh. aus der Bockwindmühle entwickelt wurde. Sie besitzt einen massiven pyramidenförmigen Sockel, hergeleitet aus dem Ständer ("Bock") älterer Bockwindmühlen, und einen drehbaren Kopf mit den Mühlenflügeln und dem Umlenkgetriebe der Antriebswelle. In dem - meist gemauerten - Unterbau war die Mühlenmechanik untergebracht; diese wurde durch eine senkrechte Antriebswelle ("Königswelle") angetrieben, die in einem Eichenholz-Hohlzylinder gelagert war, welcher die Mühlendrehachse (den "Hausbaum") ersetzte. (Nach diesem Hohlzylinder, dem Köcher oder Koker, wurde die Mühle benannt.) Wo die Enden des Flügelrades vom Boden aus nicht erreichbar waren, baute man eine rundumlaufende Galerie in der entsprechenden Höhe zur Bedienung der Segel und zur Wartung. Der Mühlenkasten der Kokerwindmühle wurde wie die Haube der Holländermühle mit einem Steuerbalken (dem Steert) in den Wind gedreht. Windmühlen dieser Bauart wurden überwiegend als Schöpfmühlen ausgelegt.
(Ein anderer, nicht mehr dem MA. zuzurechnender Windmühlentyp war die vom 16. Jh. an in Nordeuropa verbreitete Turm- oder Kappenwindmühle oder "holländische Mühle", bei der einem massiven, meist steinernen Gebäude eine drehbare Dachkappe mit dem Windrad aufsaß. Die Dachkappe konnte mittels des Hebebaums (Steert) in den Wind gestellt werden.)
Windmühlen waren mit dem Mangel behaftet, vom launigen Wind abhängig zu sein; dem stand der Vorteil gegenüber, dass sie auch dann noch arbeiten konnten, wenn die Winterkälte oder anhaltende Trockenheit die Wassermühlen zum Stillstand gebracht hatten. Außer zum Mahlen von Korn dienten sie – vor allem in küstennahen Ländern – zum Antrieb von Wasserhebewerken. Diese dürften anfänglich als Schöpfräder, vom 15. Jh. an auch nach dem Prinzip der "Archimedischen Schraube" konzipiert gewesen sein.
Die fähigsten Meister des Windmühlenbaus kamen aus den Ländern Nordwesteuropas, besonders aus Holland, wo es wenig Wassergefälle, dafür umso größere Windhöffigkeit gibt.
Gelegentlich wurde durch den Territorialherren – beispielsweise durch den Grafen von Friesland – eine jährliche Steuer für die Windbenutzung erhoben; hielt er doch den Wind, der über sein Land strich, für sein Eigentum.
(s. Flügelsignale, Kammrad-Stockgetriebe, Mahlmühlen, Müller, Werkmühlen)