Baumaterialtransporte

Aus Mittelalter-Lexikon
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Baumaterialtransporte. Fertigteile aus antiken Bauwerken (Spolien) und Rohquader aus Steinbrüchen wurden schon im FMA. auf Lastschiffen, Schlitten (Schleifen), Wagen (carrus, caruca, carecta) und Lastkarren (plaustrum), oft über große Strecken, zur Baustelle gebracht. (Eine Wagenladung betrug bis zu ca. 1 to.) Backsteine, Ziegeln und Kalk wurden von den Zieglern und Kalkbrennern selbst auf Karren und Wagen angeliefert. Die beim Landtransport erbrachten Leistungen nötigen uns Heutigen höchsten Respekt ab, zumal angesichts der damaligen miserablen Straßenzustände. Wo immer möglich wurden Wasserwege bevorzugt.
Bauholz wurde wo es ging geflößt, ansonsten auf Holzfahrzeugen befördert oder auf verschneitem Boden geschleift. Auf der Baustelle transportierte man Steinquader mittels hölzerner Schleifen oder Holzrollen.
Zum senkrechten Materialtransport kannte man Rampe, ®Wippe, ®Aufzug, ®Kran und ®Flaschenzug. Die Befestigung der Quader am Zugseil geschah mit einer Seilschlinge, mit einer Steinzange, einer Spreizklaue oder einem "Wolf". Letzterer bestand aus drei konischen Stücken aus Schmiedeeisen, die in sich nach innen verbreiternde Löcher (Wolfslöcher) in der Oberseite der Quader eingesetzt wurden und sich durch den Zug des Seils aufspreizten. Eine Variante des Wolfs war die Spreizklaue, bei der das Aufspreizen Im Wolfsloch durch Hebelwirkung zustande kam. Noch wirksamer war der Griff der Steinzange, bei welcher die Gefahr des Ausbrechens eines Wolfsloches nicht bestand. Die Krallen der Steinzange griffen in die dafür gehauenen Löcher in den Flanken des Quaders und schlossen sich beim Straffen des Seils.
Backsteine oder kleinere Hausteine wurden in Kästen oder auf Tragbahren, Schultertragen und in ®Schubkarren befördert, zum Transport von Mörtel verwendete man Mulden, Fässer oder Tröge, Kleinteile wie etwa Eisenzeug wurden in Körben oder Kisten transportiert. An die immer höher gelegenen Arbeitsorte gelangten die Träger über Rampen, Leitern oder bereits fertiggestellte Treppen. Beim senkrechten Transport mit einem Aufzug wurde die Last oft von einem Mann mittels Leitseil gesichert.
Für die Beförderung der für den Bau einer Großkirche benötigten tausenden von Wagenladungen an Baumaterialien zu der jeweiligen Baustelle nutzte man neben der Muskelkraft von Ochsen und Pferden auch die vieler Menschen. Besonders zur Hochzeit des Kathedralenbaus im 11. - 14. Jh. beteiligten sich viele Menschen freiwillig, mit Begeisterung und unentgeltlich am Materialtransport zu Kirchenbaustellen, galt doch Mithilfe am Kirchenbau als gottgefälliges Werk. Für dieses Phänomen wurde der Ausdruck "Karrenkult" geprägt.
Nach Möglichkeit suchte man Baumaterial nahe der Baustelle zu gewinnen. Je weiter entfernt Steinbrüche lagen, desto mehr schlugen die Transportkosten zu Buche. Nach Kühnel verteuern sich Quadersteine bei einem Transport über ca. 18 km bereits auf das Doppelte.
(s. Binnenschifffahrt, Hilfsarbeiter, Korb, Schlitten, Wagen, Zugtiere)