Astrologie

Aus Mittelalter-Lexikon
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Astrologie (grch., = Sternlehre, -deutung; mhd. himelkunst, sternkunst. Bei Aristoteles astrologia apotelesmatike [vorherbestimmende A.], bei den Römern astrologia iudiciaria [richtende A.]). Die ma. Astrologie war begründet in der Vorstellung vom Zusammenhang kosmischer und irdischer Ereignisse und zielte auf die Voraussage (Prognostikation) der Zukunft (Horoskopie = Stundenschau, -deutung), auf die Bewertung des Charakters eines Menschen und auf Hilfestellung bei der Erstellung ärztlicher Behandlungspläne. Kosmische Zeichen (Boten-Stern, Sonnenfinsternis) und ihre Deutung durch „Magier“ (die Hl. Drei Könige waren Sterndeuter) spielen in der Hl. Schrift zwar eine wichtige Rolle, die Astrologie wurde jedoch von der Kirche zunächst als heidnisches Zauberwerk (Astromantik) strikt abgelehnt. Im 12. Jh. wurde jüdische und arabische Fachliteratur zur Astrologie ins Lateinische übersetzt, die abendländische Sterndeutung nahm ihren Anfang. Vom Beginn des 14. Jh. an wurde sie als Wissenschaft geduldet, es erschienen Hofastrologen an der päpstl. Kurie zu Avignon. In der ®"Iatromechanik" bedienten sich die Ärzte der Astrologie zur medizinischen Prognostik (Hippokrates: "Ein Arzt ohne Kenntnisse der Astrologie hat nicht das Recht, sich Arzt zu nennen").
Der zur Zeit des Augustinus verbreitete ®Astralfatalismus (Manilius: "Fata regunt orbem, certa stant omnia lege") hat sich nur im islamischen Denken erhalten. Im europäischen MA. neigte man zu der Auffassung "astra inclinant, non necessitant", d.h. dass Menschen je nach dem zu ihrer Geburtsstunde regierenden Sternbild eine bestimmte Charakterart eingeprägt bekämen, dass jedoch ihre jeweils akute Reaktionsweise dem freien Willen unterliege.
Zur Erstellung eines Horoskops wurden vor allem folgende Parameter herangezogen: Sonne, Mond und die fünf Planeten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn); der Tierkreis (die in 12 Segmente zu je 30° eingeteilte Sonnenbahn; die Segmente sind nach den in ihnen stehenden Sternbildern benannt); die 12 Häuser (mlat. domi coelestes. Sie sind nicht identisch mit den 12 Tierkreiszeichen, sondern stehen für 12 menschenbezogene Parameter: Leben, Gewinn, Geschwister, Eltern, Kinder, Gesundheit, Heirat, Tod, Reisen, Ehren, Freunde, Feinde); die Aspekte (die Stellung der Planeten zueinander, von der Erde aus gesehen: Opposition, Konjunktion, Quadratur, Trigon, Sextil); die Wesenskräfte der Planeten (z.B. Mars/Aktivität, Merkur/Intellekt; ausschlaggebend für das Wesen eines Planeten war das in ihm vorherrschende Mischungsverhältnis der vier Qualitäten kalt, warm, feucht, trocken); die Positionen der Planeten zum Zeitpunkt der Geburt galten als wesentlich für Charakter und Schicksal.Neben diesen fundamentalen Größen gab es eine Vielzahl von Entsprechungen und Typisierungen, vor allem auf dem Gebiet der ®Alchemie.
In der ma. Literatur nehmen Schriften und Stellungnahmen zur Astrologie – bei kontroverser Grundeinstellung – breiten Raum ein. Claudius Ptolermäus (um 100 - um 175; Mathematiker, Astronom, Philosoph, Geograph) beschrieb in seinem vierbändigen Werk "Tetrabiblos" den Einfluss der Gestirne auf das menschliche Schicksal. - Origenes (Kirchenlehrer, 185 – 253) befand: „Die Sterne wirken zwar nicht selber, aber sie verkünden den Willen Gottes“. - Von grundlegender Bedeutung waren die Schriften des Neuplatonikers Macrobius (5. Jh. u. Z.) und des Martianus Capella (um 400). Ersterer sah in den Sternenkonstellationen Vorboten künftiger Ereignisse, nicht deren Ursachen, der Letztere ordnet den Sternen je eigene einflussreiche Geistwesen zu. - Isidor von Sevilla bezieht in "De natura rerum" und "Etymologiae" gegen die abergläubische Sterndeuterei Stellung, billigt aber die Methoden der Iatromechanik. Er ist von der unheilvollen Vorbedeutung von Kometen überzeugt; diese Meinung übernehmen Beda Venerabilis und Hrabanus Maurus. - Von den durch die Übersetzer vom 10. Jh. an im christl. Abendland bekannt gemachten Werken hebräischer und arabischer Astrologen gelangte der "Kitab al-mudhal" des Abumasar als "Introductorium magnum" größte Bedeutung. - Albertus Magnus glaubte: „Die Figuren des Himmels waren vor allen übrigen geschaffenen Dingen da, und deshalb haben sie Einfluss auf alles, was nach ihnen entstanden ist.“ - Nach der Meinung des Thomas von Aquin vermag der Astrologe, die Disposition einer Person aus den Sternen abzulesen. Jedoch: „Mit Sicherheit das Eintreffen von Ereignissen vorauszusagen, gehört zum Aberglauben und ist unzulässig“. - Der hochgelehrte Pierre d´Ailly verstand Astrologie als „natürliche Theologie“ und versuchte Zukunftsvorhersagen durch astrologische Berechnungen zu stützen.
Hofastrologen hatten die Aufgabe, den Herrscher über den richtigen Zeitpunkt für ein Vorhaben zu beraten – nicht dagegen darüber, ob und wie man ein Vorhaben umsetzte. Man hat festgestellt, dass Heiraten häufiger auf Termine mit günstiger Konstellation fielen als andere bedeutende Ereignisse, waren sie doch – anders als etwa Schlachten – zeitlich frei disponibel. Bei allem Schwindel, der mit der Astrologie verbunden war, diente sie doch auch der Astronomie, "indem gar viele Beobachtungen ohne sie nicht gemacht, viele Tafeln ohne sie nicht berechnet worden, ja, gar manche Astronomen ohne sie verhungert wären".
(s. Aderlassmännchen, Albohazen, Astro-Meteorologie, Gubernator, Iatromechanik, Makrokosmos/Mikrokosmos, Prognostica, Prophezeiung, Tierkreis(zeichen), Zwillinge)