Inquisition

Aus Mittelalter-Lexikon
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Inquisition (lat. inquisitio, = Untersuchung). Kirchliche Einrichtung zur Aufspürung, Überführung und Verurteilung von ®Ketzern, womit Leute gemeint waren, deren christl. Glaube von dem der alleinseligmachenden röm. Kirche abwich. Das Papsttum sah sich als oberste kirchliche Lehrautorität, jede Abweichung von der kirchlichen Lehre wurde als Angriff auf die Glaubenseinheit und auf die päpstliche Macht begriffen. Bis zur zweiten Hälfte des 12. Jh. bekämpfte die Kirche Ketzer mit der Strafe der Exkommunikation. Als diese herkömmliche Strafmaßnahme sich gegen das Ketzerunwesen, besonders die Katharerbewegung als nutzlos erwies, und als ganze Landstriche in Südfrankreich und Norditalien von Rom abfielen, vereinbarten Papst Lucius III. und Kaiser Friedrich I. ein schärferes Vorgehen. In dem Dekretale "Ad abolendam diversarum haeresum pravitatem" vom 4. November 1184 wurden die Bischöfe mit der Strafverfolgung beauftragt; dabei wurde noch nach den Regeln des ®Akkusationsprozesses verfahren. Diesem Vorgehen war wenig Erfolg beschieden, sodass schon Papst Innocenz III. (1198 - 1216) sich genötigt sah, in seinem Dekretale "Vergentis in senium" vom 25. März 1199 Häresie zum ®Majestätsverbrechen zu erklären und das Zusammenspiel mit dem "weltlichen Arm", also der öffentlichen Gewalt, effektiver zu gestalten. Er schuf das Instrument des ®Inquisitionsprozesses, eines geheimen Verfahrens, das ex officio oder auf Denunziation hin eröffnet werden konnte. Als sich der von Rom erwünschte Effekt massenhafter Denunziationen noch immer nicht einstellte, löste Papst Gregor IX. (1227 - 1241) die Ketzerverfolgung aus der bischöflichen "iurisdictio ordinaria". Auf einem Konzil zu Toulouse (1229) verfügte er, dass es die Pflicht eines jeden Katholiken sei, Ketzer zu verfolgen. Eltern hatten ihre Kinder, Kinder ihre Eltern anzuzeigen, andernfalls verfielen sie der Exkommunikation. Damit war Denunziantentum und Verleumdung Tür und Tor geöffnet. 1231 unterstellte Gregor IX. die Inquisition einer päpstlichen Institution, dem "heiligen Offizium". Unerbittliche Exekutoren der "Inquisitio haereticae pravitatis" wurden unter direkter päpstlicher Leitung Angehörige des Dominikanerordens. (Gelegentlich wurden später auch Franziskaner zur Inquisition herangezogen.) Ihre Aufgabe war anfänglich nur, Ketzer aufzuspüren und den bischöflichen Gerichten zu überstellen – Urteilsbefugnis hatten sie anfäglich nicht.
Wer dem Inquisitor als verdächtig angezeigt wurde, hatte seine Unschuld zu beweisen – was einer Unmöglichkeit gleichkam. Es blieb der Ausweg, der Häresie abzuschwören, wodurch aber eine Bestrafung nicht abgewendet wurde. Der Inquisitor, ab der 2. Hälfte des 13. Jh. Ankläger und Richter zugleich, verhängte Strafen nach eigenem Gutdünken. Der Strafenkatalog reichte von Lehrverbot (für abweichlerische Theologen), der Konfiszierung von Eigentum über Geißelung, Pilgerfahrt, Kerkerhaft bis zur "Übergabe an die weltliche Gewalt" zwecks Vollzugs der Todesstrafe. Rechtsbeistand oder Anrufung einer höheren Instanz gab es nicht. Urteilsschelte wurde als Häresie angesehen.
1252 machte Papst Innocenz IV. mit seiner Bulle "Ad exstirpanda" ("Zum Ausrotten") die ®Folter zum anerkannten Rechtsmittel der Wahrheitsfindung. Die Tortur sollte dem Angeklagten sowohl das Geständnis der eigenen Schuld als auch Namen weiterer Ketzer abpressen. Dabei sollten dem Gefolterten die Zerbrechung der Glieder und die Gefährdung des Lebens erspart bleiben, widrigenfalls war der Inquisitor mit Exkommunikation zu bestrafen. Diese technische Einschränkung des "Negotium fidei" beseitigte Papst Urban IV. anno 1261 auf elegante Weise, indem er den geistlichen Peinigern, wann immer ihnen ein Befragter unter der Folter verschied, die gegenseitige Absolution zubilligte.
Wer sich unter der Folter ein Schuldbekenntnis abpressen ließ, wurde dem weltl. Arm übergeben. Standhaftigkeit führte jedoch meist ebenfalls auf den ®Scheiterhaufen, denn der Gefolterte musste mit dem Teufel im Bunde sein, um der Tortur widerstehen zu können. Da die Inquisitoren selbst mit der Möglichkeit rechneten, Unschuldige auf den Scheiterhaufen zu bringen, legten sie sich die "Märtyrerthese der Unschuldigen" zurecht, der zufolge unschuldig Verbrannte zu Märtyrern würden und direkt in den Himmel aufführen.
Die Kosten für den Unterhalt der Inquisitoren und für deren ausgedehnte Reisen, für Kerkerhaft der Beklagten, Protokollwesen und Entlohnung der Büttel hatten zunächst die Gemeinden aufzubringen, in deren Bereich Inquisitionsverfahren angestellt wurden. Diese Praxis fand so wenig Gegenliebe bei der Bevölkerung, dass Papst Innocenz IV. 1252 verfügte, die Inquisitoren seien mit zwei Dritteln des von überführten Ketzern konfiszierten Vermögens zu entlohnen, ein Drittel stand dem städt. Henker aufgrund seiner Tätigkeit als Foltermeister zu. Durch diese Verfügung wurde der Volkszorn gedämpft und der Eifer der Inquisitoren weiter angestachelt. (Die Inquisitoren hatten von ihrem Anteil noch die unverzichtbaren ®Hexenriecher zu bezahlen, Kreaturen, die durch Denunziation die Eröffnung eines Prozesses häufig erst möglich machten.)
®Johannes XXII. (1316-1334) begründete mit seiner Bulle „Super illius specula“ das apokalyptische Bild einer im Teufelspakt gegen die Christenheit verschworenen Zauberersekte. Dadurch war der Übergang von der Verfolgung einzelner Malefizpersonen zur Verfolgung ganzer Zaubererkollektive markiert, gerieten die Hinrichtungen zu Massenveranstaltungen.
Innozenz VIII., der Verfolger der ®Hussiten und ®Waldenser, verlieh der geistlichen Inquisition in Deutschland, die sich bis dahin nicht selten durch das Volk und die weltliche Macht behindert gesehen hatte, durch seine Bulle "Summis desiderantes" (s. Hexenbulle, 1484) die nötige Effektivität, um Verdächtige in Massen zu produzieren, durch Folter geständig zu machen und zu vernichten. Die Inquisition richtete sich ausschließlich gegen Christen, kannte jedoch keine Standesschranken und wandte sich selbst gegen Adelige und Landesherren. Durch sechs Punkte lässt sich das Wesen der Inquisition charakterisieren: 1.) Ersetzung des Akkusationsprozesses durch den Inquisitionsprozess. 2.) Eidliche Verpflichtung aller Erwachsenen, Ketzer anzuzeigen. 3.) Die Geheimhaltung der Namen von Denunzianten. 4.) Nichtzulassung entlastender Aussagen; Unterklagestellung von Fürsprechern der Angeklagten als Häretiker. 5.) Erpressung von Geständnissen und von Namen "Mitschuldiger" durch die Folter. 6.) Die Verurteilung überführter Ketzer zum Feuertod.