Kochbücher

Aus Mittelalter-Lexikon
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Kochbücher (Rezeptesammlungen). Vom 14. Jh. an entstanden Sammelhandschriften, die neben Traktaten zu ®regimina sanitatis, ®Diätetik, ®Säftelehre und anderen Aspekten der Medizin (Astrologie, Aderlassvorschriften, medizin. Rezepten) auch ein Kapitel mit Kochrezepten in lat. und dt. Sprache enthielten. Sie richteten sich zunächst nur an Hof- und Klosterangehörige (charakteristisch ist der hohe Anteil von Wildgerichten und die reichliche Verwendung von Zucker und teueren Gewürzen); erst vom 15. Jh. an entstanden Rezeptsammlungen für die bürgerliche Küche; die bäuerlichen Speisen fanden keinen schriftlichen Niederschlag. Außer in kulinarischem und medizinischem standen die ma. Kochbücher auch in religiösem Kontext, indem sie von der rechten Fastenspeise handelten. Nach dem auf Hugo von St. Victor zurückgehenden System der scientiae mechanicae ist die Kochkunst folgerichtig dem Bereich der medicina zugeordnet.
Ma. Kochbücher sind mit ihren modernen Entsprechungen nicht zu vergleichen. Ihnen fehlen Mengenangaben, Brat- oder Kochzeiten, Würzanleitungen und andere wesentliche Angaben. Es handelt sich also weniger um praktische Kochanleitungen für das Küchenpersonal, als um eher kürzelhafte Gedächtnisstützen für erfahrene Fachleute, denen man im übrigen genügend eigene Kreativität zutraute. Manches Kochbuch dürfte auch auf Veranlassung eines hochgestellten Mäzens entstanden sein, der sich von der Darstellung der Küchenkünste seines Hofes eine Mehrung seines Ansehens versprach.
Das älteste erhaltene Kochbuch des MA. (9. Jh.) ist in lat. Sprache verfasst; es fußt auf dem Werk mit dem Titel "De re coquinaria", in welchem ein gewisser Apicius im 1. Jh. u. Z. in mehreren Büchern Rezepte, u.a. zu Weinbereitungen und Spargelgerichten, zusammengestellt hat.
Das älteste erhalten gebliebene dt.-sprachige Kochbuch, die Pergamenthandschrift "Puoch von guoter spise", ist datiert von 1350 und entstand am Würzburger Bischofshof. (Das anonyme Werk enthält 101 willkürlich angeordnete Rezepte für die feine Küche. Die Herkunft der Rezepte ist unbekannt.)
Um 1400 wurde das „Alemannische Büchlein von guter Speise“ von „Meister Hansen“, einem Koch aus Württemberg, verfasst. Es ist das erste ma. Kochbuch, das unter dem Namen seines Verfassers erschien.
Als „Bibel unter den Kochbüchern“ galt im SMA. (und bis zum Beginn des 17. Jh.) der „Le viandier“ des Guillaume Tirel, genannt Taillevant (=Schneidewind; um 1312 – 1395), Leibkoch des Königs Charles V. von Frankreich. Der Autor gibt unter seinem Namen auch Rezepte weiter, die bereits früher im Umlauf waren.
Aus der ersten Hälfte des 15. Jh. stammt das „Kochbuch des Meisters ®Eberhard von Landshut“, gewidmet Herzog Heinrich dem Reichen von Bayern-Landshut (1404 – 1450). Es enthält nach 24 Kochrezepten sechs Kapitel über Diätetik und Eigenschaften der Nahrungsmittel. Vier der 24 Rezepte sind mit Rezepten aus dem „Puoch von guoter spise“ identisch.
Um die Mitte des 15. Jh. entstand mit dem „De honesta voluptate et valetudine“ des Italieners Platina eines der europaweit verbreitetsten Kochbücher (älteste Fassung von 1470; 1474 als ersten Kochbuch überhaupt in Druck gegangen). Es basierte auf einer Rezeptesammlung des italienischen Meisterkochs Martino und dürfte viel zur Verbreitung italienischer Küchenkunst in Deutschland beigetragen haben, etwa der von insalata und pasta.
Im 15. Jh. entstand eine Kochrezeptesammlung aus dem Augustiner-Chorherrenstift St. Dorothea in Wien, „daz puech des closters zu sand dorothe zu wienn“. Die teils in Deutsch, teils in Latein verfasste Handschrift enthält Texte zur Kochkunst, Ernährung, Philosophie und Medizin.
Um 1450 kam – vermutlich von Vilsbiburg her – ein Kochbuch ins Kloster Mondsee, das nach seinem Aufbewahrungsort als „Mondseer Kloster-Kochbuch“ bekannt wurde. Der erste Teil der Handschrift befasst sich mit Grammatik, Teil II. enthält Darlegungen zu Medizin („De regimine sanitatis“), zu Vinologie („De vino“, „Weinbüchel“) sowie ein Kochbuch mit 167 Rezepten, die mit solchen aus dem „Buoch von guoter spise“ identisch sind.
Um 1450 ist das Innsbrucker Rezeptbuch entstanden, benannt nach seinem Aufbewahrungsort in der Innsbrucker Burg. Die Sammelhandschrift enthälte lat. und dt. Texte zu Medizin und Kochkunst (161 Kochrezepte).
Wahrscheinlich ebenfalls aus dem klösterlichen Bereich stammen das Reichenauer Kochbuch (Karlsruher HS), das alemannische "Büchlein von guter Speise" (Münchner HS) und ein mnd. Kochbuch aus Niedersachsen (beide 15. Jh.). Daneben haben sich noch Rezeptsammlungen der Deutschordensritter und solche aus dem weltl. Bereich erhalten, wie z.B. das Rheinfränkische Kochbuch (Mainz, 1455; 59 Rezepte, davon 39 fleischlose und 20 fleischhaltige) und das Kochbuch des „maister hannsen“, vermutlich Leibkoch der Grafen von Württemberg (Basel, 1460; umfangreiche Rezeptsammlung für die gehobene Küche). Als ältestes gedrucktes deutsches Kochbuch gilt die „Küchenmeisterey“ des Peter Wagner, gedruckt um 1490 in Nürnberg.
Viele ma. Kochbücher enthalten Rezepte für Ersatzstoffe, mit denen die rigiden Fastengebote wenigstens optisch umgangen werden konnten. So ahmte man Fleischspeisen nach, indem man Reis, Mandeln und Fisch in Bratenform brachte; derartige Speisen waren wesentlich teurer als die entsprechenden Fleischgerichte und fanden sich nur auf den Tischen der Reichen.
(s. Essen und Trinken, Fasten)