Stadtanlage

Aus Mittelalter-Lexikon
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Stadtanlage. Die Anlage von Städten erfolgte bis zum 12. Jh. ohne spezielle Planung, hielt sich jedoch an einige Regeln. So wurde in den alten römischen Städten das Zentrum vom Forum zum Domplatz verlegt, setzten neue Straßenzüge das römische Straßennetz fort. In den neugegründeten Städten waren zwei sich kreuzende Straßen, der ®Marktplatz oder die platzartig erweiterte Hauptstraße samt ®Rathaus der urbane Mittelpunkt. Das Stadtgebiet innerhalb der Mauern war in annähernd gleich große Hofstellen gegliedert; diese waren so zu Blöcken zusammenschlossen, dass jede Hofstelle Zugang zu einer Gasse oder Straße hatte. Um Zugluft zu vermeiden und um geschlossene, dem urbanen Leben förderliche Straßenräume entstehen zu lassen, konnten Straßen gekrümmt geführt und Kreuzungsarme gegeneinander versetzt angelegt werden. Die beherrschenden Baukörper waren die ®Stadtkirchen, hochaufragende Tor- und Wehrtürme, Patrizierhäuser, später auch Klosterhöfe und Stadtschlösser des Adels. Zur seelsorgerischen und karitativen Versorgung der Stadtbevölkerung errichteten Predigerorden (Minoriten, Dominikaner) Klöster und Klosterkirchen. Im 13. Jh. entstanden die ersten ®Spitäler, die als Pilgerherberge, Armen- und Krankenhaus dienten.
Fließgewässer waren von grundlegender Bedeutung für die Standortwahl einer städtischen Ansiedlung. Sie trieben eine wachsende Zahl von Mahl- und Werkmühlen, wurden als Transportwege benutzt und in die Verteidigungsanlagen einbezogen, waren die Grundlage vieler handwerkl. Prozesse und dienten dem Abtransport von Fäkalien und gewerbl. Abfällen. Zwangsläufig ergab sich, dass Handwerker, die auf Wasser angewiesen waren (z.B. Färber, Gerber, Schlachter, Fischer), sich in benachbarten Quartieren am Wasser niederließen, die umsomehr am Stadtrand lagen, je größer die von ihnen ausgehende Geruchsbelästigung war. (s. Flüsse, Stadtbäche)
Zur allgemeinen Versorgung wurden öffentliche ®Brunnen eingerichtet, die mancherorts ihr Wasser auch durch kunstvolle Zuleitung von außerhalb bezogen (s. Wasserleitungen).
Da viele Bürger noch Landwirtschaft und Viehhaltung betrieben, finden sich innerhalb der Mauern auch Ställe, Scheunen und Stadel, fast jedes Haus hatte seinen Getreideboden. Die seit dem 12. Jh. bekannten Windmühlen befanden sich außerhalb der Mauern, seltener waren sie wehrturmartig in die Stadtmauer integriert.
Stadtplanerische Ordnung war der Grund dafür, dass feuergefährliche und lärmintensive Betriebe im städt. Außenbereich angelegt wurden, so etwa Töpfereien, Gießereien sowie Büttner und Schmiede und nicht zuletzt die Badstuben. Ebenfalls im städt. Randbereich sollten bäuerliche Behausungen liegen; von dort konnten Weidetiere auf kürzestem Weg zu den Weiden vor den Mauern getrieben werden und erreichten die Bauern ihre Felder am schnellsten.
Die Häuser bestanden aus Holz und waren bis etwa zur Mitte des 14. Jh. mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt, danach setzten sich wegen der hohen Brandgefahr Steinmauern und Ziegeldächer durch. Stadthäuser standen meist mit der Schmalseite (Giebelseite) zur Straße, um möglichst vielen Hauseignern einen Straßenzutritt zu gewährleisten. Um die Nutzflächen der Obergeschosse zu vergrößern, kragten diese ab dem SMA. von Stockerk zu Stockwerk weiter über das Erdgeschoss vor. Auf diese Weise wurden die engen Gassen weiter eingeengt. Mancherorts wurde für die durch die Vorkragung überbaute öffentliche Fläche ein jährlicher Zins erhoben. (Für das Vorkragen wird auch eine konstruktive Begründung gegeben: durch die Belastung der überstehenden Balkenenden wird dem Durchbiegen der langen Horizontalträger vorgebeugt. Auch ein ästhetisches Motiv wird angeführt: die Brechung der Fläche bewirkt eine Gliederung der Fachwerkfront.) Dachrinnen waren nicht bekannt, daher ließ man zwischen den Traufseiten giebelständiger Häuser schmale Gänge frei, durch die das Regenwasser von den Dächern abfließen konnte.
Man kannte wohl Straßennamen, die Häuser indes waren nicht durch Hausnummern, sondern durch eigene Namen gekennzeichnet, die über der Tür auf einem Holzschild symbolisch dargestellt waren. Oft wurde der Besitzer nach seinem Hausschild benannt. (So etwa Johannes Gensfleisch, der unter seinem Häusernamen "zum Gutenberg" bekannt wurde. Häusernamen waren z.B. "Zu den Wölfen", "Goldener Hirsch", "Zur Speerstange", "Zum Lindwurm", "bi dem borne" [daher der Familienname Bornemann], "am Viehweg" [daher der Familienname Viebig].) Innerstädtische Straßen waren bis zum Ende des 12. Jh. unbefestigt und glichen bei Regen eher Kot- und Moraststrecken, die bestenfalls auf ausgelegten Steinen trockenen Fußes zu überwinden waren. Danach begannen die wohlhabenderen der Städte mit der Pflasterung (s. Pflasterer, Straßen und Wege). Mancherorts wurde zur Finanzierung der "Steinwege" von ortsfremden Händlern ein Pflasterzoll erhoben.
In Europa wurden zwischen 1240 und 1300 jährl. ca. 300 neue Städte gegründet. Im 14. Jh. schwächte sich die Städtegründungswelle ab, um zu Beginn des 15. Jh. auszulaufen. In den Gebieten der ®Ostkolonisation ergab sich eine Phasenverschiebung von etwa zwei Generationen.
Einige Größenangaben für ma. dt. Städte (13. Jh.; Fläche innerhalb des Berings in Hektar): Köln 400, Straßburg 193, Augsburg 178, Aachen 175, Breslau 152, Nürnberg 138, Frankfurt 120, Regensburg 95, München 90.
(s. Stadtbefestigung)