Mantik

Aus Mittelalter-Lexikon
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Mantik (vom griech. mantike techne = Wahrsagekunst, Kunst des magischen Erkennens. Auch Divination, v. lat divinatio = Sehergabe, Vorahnung). Zwischen Prophetie, Orakel, Prognostik und Wahrsagerei gibt es keine eindeutig definierbaren Grenzen. Bei der Kunst der Mantik, die zu den artes magicae (artes incertae) zählte, unterschieden ma. Philosophen die Deutung natürlicher Ereignisse im Rahmen der ®Signaturenlehre (superstitio observationis) und die Weissagung aufgrund dämonischer Eingebung. (Nach dem Traktat "De divinatione daemonium" des Augustinus haben Dämonen zwar keine wirkliche prophetische Gabe, sie flüstern den Wahrsagern jedoch scharfsinnige Vermutungen über zukünftige Ereignisse ein, gestützt auf lange Erfahrung und großer Schläue.)
Je nach Deutungsmittel unterschied man vier Typen gemäß den zugrundegelegten vier Elemente:
Aeromantie. Wahrsagen aus Windarten und -richtungen, aus Wolkenbildern, Nebel, Regenbogen, Hof um Sonne und Mond und aus dem Donner.
Geomantie. Wahrsagen aus Erd- und Sandgebilden.
Hydromantie. Wahrsagen aus Wassereigenschaften und Wellenformen.
Pyromantie. Weissagen aus dem Feuer (aus dessen Knistern, Bullern oder Singen, aus der Farbe und Gestalt der Flammen, aus dem Rauch und dem Funkenflug). Zitat aus H. Vintlers "Pluemen der Tugent": "Ettlich kunnent an fewr erkennen, wie sich die sach hie sol enden."
Aus der Vielzahl nicht in ein System zu bringender Techniken einige Beispiele:
Alectryomantie (v. grch. alektryon = Hahn). Wahrsagen aus den von einem Hahn aufgepickten Körnern, die über Buchstaben ausgelegt waren. Aus den auf diese Weise angezeigten Buchstaben wurden Wörter und Sätze erschlossen.
Belomantie (Pfeilorakel). Das Wahrsagen aus mit Zeichen versehenen Pfeilen, die aus einem Köcher gezogen werden.
Bibliomantie. Das Wahrsagen nach Textstellen, die durch blindes Aufschlagen eines Buches – vornehmlich der Bibel – und das Berühren einer beliebigen Stelle mit einem Stäbchen gefunden worden waren.
Chiromantie (Handlesekunst). Weissagung aus der Form der Hände und aus den Linien der Hand-Innenfläche.
Kataptromantie. Weissagung anhand einer Spiegelung im Wasser oder in einem Spiegel.
Kristallomantie. Weissagen mittels einer Kristallkugel.
Nekromantie (grch., = Totenbeschwörung; fälschlich auch Nigromantie). Die Geister von Toten (nekroi) wurden durch Gesänge, Zauberformeln, Opfer oder magische Gegenstände beschworen, Zukünfiges zu offenbaren. Theologen befanden, dass Kontakte nicht zu den Seelen Abgeschiedener geknüpft würden, dass sich vielmehr Dämonen in betrügerischer Absicht für jene ausgäben.
Nigromantie. Ma. Wortneubildung nach "Nekromantie" (Beschwörung der Totengeister). In einem Vocabularius (Ulm, 1475) steht über nigromantia: "nigramansia dicitur divinatio facta per nigras id est mortuos". Danach formte sich der Begriff der "schwarzen Kunst", worunter Zauberei mit Hilfe des Teufels oder seiner Dämonen verstanden wurde. (s. magische Kreise, Opfergaben)
Oneiromantie (auch: Somnimantie). Wahrsagen aus Traumbildern (s. Traum, Traumbücher).
Ornithomantie (Vogelschau; das augurium der Antike). Ausdeutung des Vogelgesangs und der Flugformation von Vogelschwärmen.
Onomatomantie (v. grch. onoma = Name). Die Kunst, aus Namen zu weissagen (s. Namenmantik). Pegomantie. Wahrsagen aus Quellen, Sonderform der Hydromantie.
Rhabdomantie. Wahrsagen mit Hilfe der ®Wünschelrute.
Spatulomantie (lat. spatula/scapula = Schulterblatt). Die magische Technik, aus dem mit Öl gesalbten Schulterblatt eines Widders zu lesen, wurde wahrscheinlich von den Hunnen von China her vermittelt und noch später praktiziert. H. Vintler ("Pluemen der tugent"): "Die sehent an dem schulter payn, was dem menschen sol beschehn." Joh. Hartlieb schreibt in "Puoch aller verpoten kunst", dass der Magier das Schulterblatt eines Rindes, Pferdes oder Esels, wenn möglich das eines Menschen, vor der Schau mit Wein, danach mit Weihwasser reinige.
Sortilegium bezeichnete das Wahrsagen anhand von Losstäbchen (mlat., v. lat. sors = Los und legere = lesen). In vorchristlicher Zeit hatten bei den Germanen Frauen die heiligen Runenstäbchen gehütet, gezogen und gedeutet, in deren jedes ein bedeutungsvoller Buchstabe geritzt war. Nach der Christianisierung lebte diese Art der Zukunftsdeutung als "Xylomantie" oder "sortes sanctorum" ("Lose der Heiligen") weiter. Als Abart des Sortilegiums könnte der sma. Brauch begriffen werden, die Zukunft mit Hilfe von Würfeln zu enträtseln.
Die aufgezählten Mantiken waren ma. Gelehrten zwar aus der überkommenen antiken Literatur bekannt, unklar ist, wie viele davon im MA. noch praktiziert wurden. Zusammen mit der Magie und der prognostischen Astrologie zählt die Mantik zu den ®artes magicae. Thomas von Aquin verdammte die Wahrsagerei ebenso wie andere magische Künste als Dämonenwerk, hatte jedoch Mühe, sie argumentativ gegen die Prophezeiungen der Heiligen abzugrenzen.
Die mantischen Künste waren zwar kirchlicherseits verboten und verfemt, derjenige jedoch, der sie beherrschte, wurde mit dem Titel Meister belegt. Wahrsagerei dürfte im MA. nicht ausschließlich in ernster Absicht betrieben worden sein; häufig diente sie schlicht der belustigenden Unterhaltung oder betrügerischer Scharlatanerie.
(Astrologie, Losbücher, Mond-Prognosekalender, Prognostica, Prophezeiung, Schicksal, Tierorakel)