Schreiben
Schreiben (mhd. schriben, ahd. scriban; von lat scribere = schreiben). Das Aufbringen von Schriftzeichen auf einem Beschreibstoff (s. Papier, Papyrus, Pergament, Wachstafel) mittels geeigneten Schreibwerkzeugs. Im MA. waren für Schreibübungen, Notizen und Konzepte noch die antiken Wachstafeln (lat. tabulae cerae) im Gebrauch, in die mit einem Griffel (stilus) eingeritzt wurde. Für die endgültige Niederschrift von Texten wurden bis ins FMA. Papyrus und Rohrfeder, danach Pergament (später auch Papier), Schreibfeder (schribekil; lat. penna) und ®Tinte benutzt. Korrekturen von Pergamenthandschriften konnten nach Abschaben der Schrift mittels ®Bimsstein oder Radiermesser (lat. scalprum, scalpellum, rasorium, novacula) ausgeführt werden. Der Bleistift (stilus plumbeus) – ein Holzstab, an dessen Spitze ein Stückchen Blei befestigt war – wurde zum Linieren verwendet. Hilfsmittel zum Festlegen von Schrifträndern und Zeilenabständen waren Lineal und Stechahle. „Bleistifte“ nach heutigem Verständnis kamen erst im 15. Jh. in Italien auf (erstmals erwähnt von dem Florentiner Maler C. Cennini [1370-1440], und zwar in Form von Stäbchen aus kompaktem Graphit oder als mit Graphit gefüllte Hülsen. Der Name „Bleistift“ rührt daher, dass Graphit seinerzeit unter der Bezeichnung „Reißblei“ bekannt war. Zum Anreißen zarter Zeichnungen kannte man im SMA. den „Silberstift“, ein griffelartiges Gerät aus einer Legierung von Silber und Zinn oder Blei. Um damit Striche auf dem Papier zeichnen zu können, musste dieses vorher grundiert werden. Der Strich des Silberstifts verschwärzte auf dem Papier durch Oxidation.
Der Arbeitsplatz des Schreibers bestand aus einem Pult, das ähnlich einem Notenständer eine schräge Arbeitsplatte hatte. Im oberen Bereich der Arbeitsfläche fanden sich Löcher zur Aufnahme der Tintenhörner (cornua), Tintenfässer (atramentaria) und Federkiele (pennae). Stets zur Hand waren Bimstein und Radiermesser zum Tilgen von Schreibfehlern, Kreide und Eberzahn (eberzant) zum Glätten der Pergamentoberfläche, Lineal (regula), Ahle (subula), Zirkel (circinus) und Blei zum Markieren der Zeilenabstände, das Federmesser zum Nachspitzen der Federkiele und zum Radieren sowie eine Sreubüchse mit Schreibsand zum Trocknen der schreibflüssigen, langsamtrocknenden Tinte auf Papier (wohl vom SMA. an).
Vorbereitende Handgriffe, die der Schreiber vor Beginn der eigentlichen Arbeit zu erledigen hatte, waren das Zuschneiden der Doppelblätter mit Lineal und Federmesser, das Festlegen des Schriftspiegels (s. Pergamentformat), das Linieren mit einem Knochengriffel, einer Metallspitze oder einem Bleistift, das Markieren der Größe von Schrift, Bildern und Zierleisten.
Täglich stundenlang am Pult zu sitzen und Schriften zu kopieren war eine mühevolle Aufgabe. Im 8. Jh. vermerkte ein Schreiber in einem westgot. Rechtsbuch: "O wie schwer ist das Schreiben: es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben, der ganze Körper leidet ..."
Das Schreiben in den klösterlichen Skriptorien - i.e. das Abschreiben heiliger Bücher - galt als tugendhaftes, heilbringendes Werk, das zeitliche Sündenstrafen abgelten und himmlischen Lohn verschaffen konnte.
Im SMA. verbreitete sich die Schreibkundigkeit auch außerhalb klerikaler Kreise, so bei Juristen und Notaren, bei Lehrern, Bankiers, Kaufleuten und Handwerkern, und schließlich bei einem wachsenden Teil der Gesellschaft.
Zum professionellen Schreiben sind nur wenige Fachbücher erschienen. Erhalten sind u.a. zwei anonyme Handschriften, das "Compendium artis picturae" (11. Jh.) und "De clarea" (12. Jh.). In beiden wird auf das richtige Anmischen der trockenen Farbstoffe mit Wasser und Bindemitteln eingegangen und auf die unerlässliche Voraussetzung einer genügend hohen Luftfeuchte am Arbeitsplatz hingewiesen – eignete sich doch trockenes, überhartes Pergament nur schlecht zum Beschriften.
(s. Calmart, Rechtschreibung, Rohrfeder, Schreiber, Schreibfeder, Schulgerät, Skriptorium)