Fegfeuer

Aus Mittelalter-Lexikon
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Fegfeuer (lat. purgatorium = Reinigungsort; mhd. vegeviur, vegestat, hellebrant). Die Vorstellung von einem reinigenden Durchgangsort zwischen Tod und ewiger Seligkeit war schon im Parsismus geläufig und fand sich auch in den Lehren der Kirchenväter wieder. Als Begründung wurde vor allem eine Passage aus einem Paulusbrief (1. Korinther, 3,11-15) herangezogen, nach der die Läuterung gewisser Sünden-Kategorien nach dem Tod "quasi per ignem" beschrieben wird. Die offizielle Definition des Fegfeuers wurde auf dem 1. und 2. Konzil von Lyon (1245, 1274) festgelegt. Von Papst Benedikt XII. erging 1336 der apostolische Lehrentscheid, dass im Jenseits außer ®Himmel und ®Hölle noch das Fegfeuer und der ®Limbus auf die Seelen warteten. Auf dem Florentiner Konzil von 1439 wurde die Fegfeuerlehre förmlicher Glaubensartikel. Demnach war das Fegfeuer ein Ort, an welchem nach dem Tod unvergebene lässliche Sünden durch zeitlich begrenzte Genugtuungsleiden (satispassio) abgebüßt wurden (poenis purgatoriis post mortem purgari).
Drastisch-sadistische Schilderungen des höllennahen Purgatoriums dienten den christl. Predigern als Mittel zur Disziplinierung der Gläubigen und zur Erlangung von zweckgebundenen Zuwendungen: fromme Stiftungen wurden zum wesentlichen Bestandteil eines ®Testamentes – suchte man doch durch Veranlassung von Messfeiern, Gebeten, Geldzuwendungen, Almosen und anderen guten Werken die Strafen (poenae purgatoriae, pro remedio animae) im Fegfeuer zu lindern bzw. abzukürzen. (Die durch Gebet erreichte Erlösung armer Seelen wurde gelegentlich zahlenmäßig konkretisiert: der Engelthaler Nonne ®Adelheid Langmann [gest. 1375] z.B wurde in Visionen durch Christus bestätigt, dass er auf ihre Fürbitten hin einmal 4.000, bei anderen Gelegenheiten 10.000, 20.000 und 30.000 Seelen aus dem Fegfeuer erlöst habe.) Fegfeuervisionen und Erscheinungen von Armen Seelen (s. Geister) häuften sich als Folge der Lehre vom Purgatorium.
An Klöstern wurden für den Gebetsdienst für die Armen Seelen detaillierte Umrechnungstabellen darüber geführt, wieviel an Sündenstrafen durch Messen oder Gebete erlassen würden bzw. um welche Zeit sich die Fegfeuerpein durch derartige Leistungen verkürze.
Die Lehre von einem dritten Jenseitsort zwischen Himmel und Hölle gewann im HMA. an Gewicht, als ein alphabetisiertes, selbstbewusstes Statdbürgertum, gewöhnt an den Umgang mit differenzierten Gesetzen und Normen, sich nicht mit der grobschlächtigen Alternative Himmel oder Hölle abfinden wollte; eine zeitliche Sündenstrafe, eine "temporäre Strafhölle" (P. Sloterdijk) für mittelmäßige Sünder bot Abschreckung genug.
Um sich der Gebetshilfe frommer Personen oder Gemeinschaften zur Abkürzung des Purgatoriums zu versichern, setzte man auf fromme Stiftungen (in Form von Geld, geldwerten Vorteilen oder Sachwerten).
(s. Ablass, Ablassbriefe, Almosen, Bruderschaften, Memoria, Seelbäder,Seelbuch, Seelgerät, Stiftung, Testament)