Familia

Aus Mittelalter-Lexikon
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Familia (lat. familia = Hausgemeinschaft; mhd. hus, hous, hus-genozschaft. Der Begriff familia entstammt der röm. Antike und stand im MA. nicht für einen blutsverwandtschaftlichen sondern für einen rechtlich-genossenschaftlich begründeten Verband.)
1.) Dem erst vom 16. Jh. an im heutigen Sinn verwendeten Begriff "Familie" entsprach im MA. einmal die Gesamtheit des unter der munt des Hausvaters stehenden Hausverbandes ("familia", bestehend aus Hausfrau, unverheirateten Kindern, Gesinde), zum andern der Sippenverband ("Haus", Vollfamilie, bestehend aus Kernfamilie und verwandten Personen). Die Familie war patriarchalisch ausgerichtet, der Hausvater hatte im FMA. unbeschränkte Verfügungsgewalt über das Sachvermögen und Rechtsgewalt über die Hausgenossen. Er allein war gemeindefähig, hatte Mitspracherecht in Dorf- und Stadtgemeinde, bei Zünften und anderen Genossenschaften. Im Laufe des MA. wurde die personenrechtliche Gewalt des Hausherrn zugunsten des öffentlichen Rechts beschnitten.
Bis zum SMA. blieb die Familie als Versorgungsträger, besonders auch der alten, arbeitsunfähigen und kranken Angehörigen, beinahe konkurrenzlos. Danach änderte sich die Situation in den Städten: die Kopfzahl der Haushalte ging zurück; sehr viel Arbeit wurde außer Haus verrichtet; das Haushaltseinkommen reichte durchschnittlich für höchstens 5 oder 6 Personen. Durch die Versorgungseinrichtungen von Laienbruderschaften und Zünften fanden deren Mitglieder Sicherheit und Hilfe im Alltags- und Arbeitsleben wie im Alter, bei Krankheit oder in Notfällen. Diese auch überregional verzweigten Organisationen konnten während der Gesellenwanderschaft, auf Reisen oder Pilgerschaft in Anspruch genommen werden. Außerdem wurde die Familie durch städt. oder kirchliche ®Asyle und ®Spitäler entlastet.
Die Kindererziehung und -ausbildung wurde bis zum Aufkommen des städt. Schul- und Lehrlingswesens im SMA. fast ausschließlich von den Familien erbracht.
2.) Im Bereich einer weltlichen oder geistlichen Grundherrschaft bedeutet „familia“ die Gesamtheit der personenrechtlich minderfreien Ministerialen und Amtleute, der Zensualen, des unfreien Hofgesindes und der hörigen Bauern, die allesamt dem Hofrecht unterstanden (Hofrechtsverband).
3.) Als familia empfanden sich auch die Gemeinschften von Mönchen und Nonnen, die untereinander als Bruder bzw. Schwester bezeichneten und von ihren Obersten (Abt, Äbtissin) als von Vater bzw. Mutter sprachen.
4.) Unter „Gottesfamilie“ (familia Die) wurde die Kirche mit allen ihren Mitgliedern verstanden.
(s. Altenfürsorge, Bäuerin, Ehe, Eheschließung, Erbrecht, Erziehung, Frau, Ganerbschaft, Hausherrschaft, Hofrecht, Kind (s. Adoption, Amme, Kindheit, Legitimation, Waisenkinder), Mann, Munt, Sippe, Schlüsselgewalt, Verwandtschaft, Wittum, Witwe)